„Zwar hat der Mensch zwei Beine, doch kann er nur einen Weg gehen.“ Weisheit aus Afrika
Uganda, im östlichen Zentrum Afrikas und unmittelbar am Äquator gelegen, erhielt von Winston Churchill den Beinamen „Pearl of Africa“ – ein klangvoller Name, der vielfältige und einzigartige Naturschönheiten verheißt. Es ist aber auch ein Land der Gegensätze. Jahrzehnte herrschten Terror und Willkür in Uganda. Gerade Nordunganda litt bis 2012 unter den Rebellenaktivitäten des Rebellenführers Joseph Kony und seiner Lord Resistance Army.
Wir erzählen nun kurz die Geschichte eines Landes, das nie ganz zur Ruhe kommt.
Am 9.10.1962 entließ Großbritannien Uganda in die Unabhängigkeit. Ein Jahr später wurde bereits die Republik Uganda ausgerufen; König Kabaka Mutesa übernahm das Amt des Staatspräsidenten, Obote war erster Ministerpräsident.
1966 setzte Obote die Verfassung außer Kraft, vertrieb den König und machte sich zum Staatsoberhaupt. Nach einem Militärputsch riss 1971 Idi Amin die Macht an sich. Terror und Willkür herrschten in Uganda. Es kam zu Grenzkonflikten mit Tansania, welches Obote Exil gewährt hatte. Erst 1979 beendeten Exilugander und Truppen aus Tansania die Terrorherrschaft Idi Amins. Obote wurde wieder Regierungspräsident. Gegen die neue Regierung bildeten sich bewaffnete Oppositionsgruppen. Auf deren Angriffe, die seit 1983 vor allem durch die National Resistance Army (NRA) verübt wurden, antwortete die Regierungsarmee mit harten Vergeltungsmaßnahmen. Hunderttausende wurden ermordet oder vertrieben. Obote wurde dann 1985 durch die Armee gestürzt. Neuer Staatschef wurde Generalmajor Tito Okello. Auch dieser Regierung widersetzte sich die NRA, welche 1986 Kampala eroberte. Wenige Tage später wurde der NRA-Führer Yoweri Museveni als neuer Präsident vereidigt. Zwar findet dessen Regierung die Unterstützung der Bevölkerung, doch eine Terrorgruppe im Norden lässt Norduganda über mehr als zwei Jahrzehnte nicht zur Ruhe kommen.
Bereits 1986 zog Joseph Kony als selbst ernannter spiritueller Führer der „Lord’s Resistance Army“ (LRA) in den Busch. Er wolle gegen die korrupte Regierung und für die Acholi, die Bewohner Nordugandas, ins Feld ziehen, sagte er. Seit Beginn seines Krieges hat er die natürliche Grenze, den Nil, der Nord und Süd trennt, nie überschritten. „Wegen der Geister“, behauptete er.
Die LRA gilt als Nachfolgeorganisation der „Heilig-Geist-Bewegung“. Diese hatte im Vertrauen auf übernatürliche Kräfte und mit einfachsten Waffen immer wieder die Regierungsarmee angegriffen, bis ihre Führerin die „Prophetin“ Alice Lakwena 1987 nach Kenia floh. Der Rebellenführer Kony,
welcher selbst in Gulu geboren ist, soll nach Informationen der Africanews ein Cousin von Alice Lakwena sein.
Joseph Kony hat keine logischen Antworten für seinen Kampf parat. Was er skandiert ist so paradox wie der Konflikt selbst: Er wolle ganz Uganda nach den Zehn Geboten führen, „weil Gott ihm das während einer Eingebung aufgetragen habe“‚ verkündet er. Das Gebot „Du sollst nicht töten“, war dann das erste, was er für sich und seine Gefolgsleute bei seinem Kreuzzug gestrichen hat.
Schnell verübten er und seine Kämpfer unglaublich brutale Verbrechen an den Acholi, die sich mehr und mehr von ihm abwendeten. Anfänglich bekam Kony noch Waffen und Geld von den christlichen Rebellen aus dem Südsudan. Diese wurden wiederum von Ugandas Regierung und den USA gegen die islamistische Regierung aufgerüstet. Da es der LRA jedoch an einer Basis in der Bevölkerung Nordugandas mangelte, verkaufte sich Kony dann dem sudanesischen Regime. Für Waffen zogen LRA-Kämpfer nun gegen ihre christlichen Glaubensbrüder und früheren Verbündeten im Südsudan zu Felde.
Lange kämpften die Rebellen um das eigene Überleben. Sie führten nicht wirklich Krieg sondern zogen raubend, mordend und vergewaltigend durch das ugandisch-sudanesische Grenzgebiet. Die LRA rekrutierte ihre Gefolgsleute nicht über politische Überzeugungen, sondern durch Entführungen von Kindern. Jungen und Mädchen wurden als Kindersoldaten und Sexsklavinnen in den Dienst der Rebellen gezwungen. Wer mit Fremden sprach, wer nicht kooperierte, lief in Gefahr die Lippen zugenäht zu bekommen. Ganze Dorfgemeinschaften wurden aus Vergeltung überfallen. Hütten wurden in Brand gesetzt und Vorräte wurden geplündert. Unschuldigen wurden die Hände abgehackt.
Aus Angst vor den Rebellen lebten von den 1.1 Millionen Einwohnern im Acholiland 800.000 Menschen als Flüchtlinge im eigenen Land in den von der Regierung errichteten Camps. Diese wurden regelmäßig von den Rebellen überfallen. Deshalb zogen über vielen Monate jeden Abend Tausende von Kindern in die Zentren größerer Städte, so auch Gulu, um auf dem Gelände von Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen zu schlafen.
Durch die Massenentführungen führte die LRA vor allem einen Krieg gegen Kinder. UNICEF schätzt, dass zwischen 1990 und 2002 etwa 20.000 Kinder von der LRA entführt wurden. Human Rights Watch teilt mit, dass allein zwischen Juli 2002 und Mai 2003 mehr als 8.500 Kinder entführt wurden. Der EU-Sonderbeauftragte für Afrika, Aldo Ajello, bezeichnete im November 2003 die Situation in Norduganda als eine der „derzeit größten humanitären Katastrophen weltweit“.
Militärisch hat die LRA das Regime Musevenis nie in Bedrängnis bringen können. Während sich Museveni bemüht, die Stabilität und Liberalität seines Regimes zu demonstrieren und die Krise im Norden des Landes herunterzuspielen, kommt die UNO zu einem anderen Schluss: „Der Konflikt, in dem seit 1986 mindestens 100 000 Menschen getötet wurden, ist der von den Medien am wenigsten beachtete“.
Nach fast 20 Jahren Terror wurden am 13. Oktober 2005 die Ermittlungen beim Internationalen Strafgerichtshof eingeleitet und ein Haftbefehl gegen Kony erlassen. Es heißt, dass Kony Ende 2003 befohlen habe, Zivilisten zu töten, zu berauben und zu verschleppen, davon nicht ausgenommen solche, die in Camps für intern Vertriebene lebten. Daraufhin hätten die hohen Kommandeure der LRA und alle Brigade-Kommandeure begonnen, verschiedene Regionen in Uganda anzugreifen.
Seit August 2006 herrschte ein fragiler Waffenstillstand. Eine euphorische Aufbruchsstimmung der Bevölkerung war deutlich spürbar. Nach UN-Berichten konnten dann bis September 2007 rund 530.000 Flüchtlinge die Lager verlassen und waren in ihre Dörfer zurückgekehrt, um mit dem Wideraufbau zu beginnen. Im Juni 2008 wurden jedoch bereits wieder Kampfhandlungen der LRA vermeldet.
Die Organisation Invisible Children Inc. startete 2011/12 die Kampagne „Kony 2012“ zur Ergreifung Joseph Konys. Dadurch gerieten die Taten Konys stark in den Fokus der Öffentlichkeit. Wenig später kündigte die Afrikanische Union an, 5000 Soldaten nach Zentralafrika zu entsenden, um Joseph Kony dort festzunehmen. Ende Juni 2012 stimmte der UN-Sicherheitsrat in einer Präsidialerklärung der Entsendung der Truppen zur Ergreifung Konys und zur Zerschlagung seiner Widerstandsarmee zu. Im Januar 2013 wurde der Leibwächter und Chef-Logistiker von Kony getötet. Anfang April desselben Jahres setzten die USA ein Kopfgeld in Höhe von fünf Mio. US-Dollar auf Kony aus, ohne seiner jedoch habhaft zu werden.
Man vermutet, dass er und seine Mörderbande sich nach wie vor im Grenzgebiet von Uganda, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik im Dschungel bewegen. Die Wildnis dort ist ein schier endloses Labyrinth aus Urwald, Unterholz, Steppe und Flussläufen. Infrastruktur gibt es kaum, Straßen oder gar Landepisten sind die Ausnahme. Irgendwo in diesem Wirrwarr soll sich Joseph Kony verstecken, auch wenn es seit langem kein Lebenszeichen von dem gefürchteten Kriegsverbrecher gegeben hat. Im März 2014 stockt das Pentagon seine Truppen auf. Zum ersten Mal schickt US-Präsident Barack Obama auch Kriegsflugzeuge auf die Jagd nach Kony. Gleichwohl sind im Jahr 2014 wieder über 400 Menschen in Zentralafrika, mehr als doppelt so viel wie in 2012, verschleppt worden, teilte das UN-Büro zur Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (Ocha) im November 2014 mit.
Für die Menschen im Acholiland gilt:
Auch wenn es seit 2010 nicht mehr zu Übergriffen in Norduganda gekommen ist, ist die Angst vor Kony und seiner Mörderbande nach wie vor präsent, denn kaum eine Familie blieb von seinen Gräueltaten verschont. Auch heute haben noch viele Acholis unter den Folgen der Landvertreibung zu leiden.
Wer sich gerne tiefer mit der grausamen Geschichte Nordugandas befassen möchte, dem können wir zwei Projekte sehr empfehlen.
Der Fotograf James Akena hat eine eindrucksvolle Bilddokumentation über „Ugandas verlorene Kinder“ veröffentlicht. Ka in Kono
Die Regisseure Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz haben in den Jahren 2003/2004 einen Dokumentarfilm unter dem Namen „Lost Children“ in Uganda gedreht. Er erzählt die Geschichte von vier Kindern, die nach ihrer Flucht vor den Rebellen wieder in ihr altes Leben resozialisiert werden.