Frieden. Sicherheit. Ein sicheres Zuhause. Gutes Essen und genug für alle. Sauberes Wasser. Gute Lehrer. Ein Krankenhaus in der Nähe.
Das sind Dinge, die die Kinder aus dem Südsudan besonders an St. Mauritz Obiya Palaro mögen.
Henrike Quest, Lehrerin am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Münster und zu Besuch in Obiya Palaro
Man könnte meinen, es sei selbstverständlich, dass ein Kind genug zu essen hat, ohne Angst schlafen und morgens zur Schule gehen kann. Aber die 23 Mädchen und 9 Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren, die seit Anfang Februar in St. Mauritz leben, sind teilweise hunderte Kilometer weit zu Fuß geflüchtet, bevor sie in einem Flüchtlingscamp in Uganda und schließlich in St. Mauritz Sicherheit finden konnten.
Über 20 Jahre lang kämpfte der Südsudan für seine Unabhängigkeit. 2011 war es endlich so weit. Reich an Ölvorkommen und Weideland hofften die etwa 12 Millionen Einwohner des nun jüngsten Landes der Welt auf friedlichere Zeiten und feierten die Unabhängigkeit mit Trommeln und Gesängen auf der Straße. Die Hoffnung schwand jedoch 2013 als der Präsident Salva Kiir – vom Stamm der Dinka, seinem Vize Riek Machar – vom Stamm der Nuer, so sehr misstraute, dass er ihn entließ. Ein politischer Machtkampf begann, in dem sich immer mehr Südsudanesen mit ihrem Stamm solidarisierten. Ein brutaler, blutiger Bürgerkrieg beginnt.
Auch ein Friedensabkommen im Jahr 2015 brachte keinen dauerhaften Frieden um die politische Macht und die wertvollen Ölressourcen des Landes; es hat sich inzwischen zu einem Konflikt zwischen Ethnien entwickelt. 2016 spitzte sich die Situation so sehr zu, dass ein Großteil der internationalen Politiker und Botschafter aus dem Land gebracht wurde, da es zu gefährlich wurde.
Seit Kriegsbeginn wurden zehntausende Menschen getötet, hunderttausende leiden an Hunger und fast 4 Millionen Südsudanesen fliehen aus ihrem Heimatland. Knapp 1 Millionen Flüchtlinge suchen Zuflucht in Uganda.
32 geflüchtete Kinder leben nun in St. Mauritz Obiya Palaro und gehen hier zur Schule. Sie alle sind hochmotiviert, Schreiben und Lesen zu lernen und einen Schritt in eine bessere Zukunft zu machen. Aber sie alle sind auch traumatisiert durch die Erfahrungen, die sie im Krieg und auf der Flucht gemacht haben. Einige von ihnen haben Menschen sterben sehen, Familienmitglieder verloren und tagelang hungern müssen. Andere erinnern sich daran, dass sie morgens in der Schule vom Krieg überrascht wurden. All das muss verarbeitet werden.
Liebevoll und engagiert kümmert sich vor allem Sister Janet um die Mädchen und Jungen, trifft sich regelmäßig mit ihnen, organisiert Spiele im Freien, spricht über Erinnerungen, Erlebnisse und über Zukunftswünsche. Eine Sache wünschen sich fast alle Kinder: ‚Das Geschehene auch mal vergessen, am liebsten beim Fußballspielen‘.
Diesen Wunsch konnte ich ihnen nicht abschlagen. Wenige Tage später gehen 5 Schüler, Sister Janet und ich ins Dorf, um Bälle zu kaufen. Ich muss im Cafe um die Ecke warten. Denn sobald eine Mzungu (eine Weiße) einen Laden betritt, steigen die Preise urplötzlich ins Unermessliche an. Eine Kaffeelänge später präsentieren mir die Kinder stolz die 2 Fußbälle und 2 Tennisbälle, jeweils für die Mädchen und für die Jungen, die sie dank ihres Verhandlungsgeschicks für umgerechnet etwa 20 Euro bekommen haben.
Seitdem nutzen sie fast jede freie Minute auf dem Fußballplatz – Momente, in denen sie vergessen können. Momente, in denen sie einfach nur Kind sein können.