2012

2012 war für die Uganda-Hilfe ein „gutes“ Jahr. Vor allem war es ein ruhiges Jahr – friedlich, ohne Angst und Terror in Norduganda. Die Lage dort scheint sich kontinuierlich zu stabilisieren, doch Korruptionsskandale in Zusammenhang mit Geldern der Entwicklungshilfe, Anschuldigungen der Vereinten Nationen, dass das Militär in Uganda die Rebellen im Ostkongo unterstützt und die Diskriminierung von Homosexuellen durch eine beabsichtigte Verschärfung der Gesetze bis hin zur Einführung der Todesstrafe führten dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland einen Teil der Entwicklungshilfe für Uganda eingestellt hat. Hierbei handelt es sich um die sogenannte „Budgethilfe“. Diese Hilfe geht direkt an die Regierung und ist nicht zweckgebunden. „Budgethilfe ist eine Ausnahmeerscheinung. Sie ist Ausdruck höchsten Vertrauens in eine verantwortungsvolle Regierungsführung von Kooperationspartnern. Wo dieses Vertrauen enttäuscht wird, müssen wir entsprechende Konsequenzen ziehen“, erläuterte Entwicklungshilfeminister Niebel die Entscheidung der Einstellung der Zahlung dieser Gelder.

All dies ist für die Bevölkerung in Gulu weit weg. Die Menschen im Norden sind dankbar, dass Frieden herrscht, lebten sie doch 20 Jahre lang in Angst und Schrecken und litten unter einem der schlimmsten Bürgerkriege. Sie sind dankbar, dass sie aus den Flüchtlingslagern wieder in ihre Dörfer zurückkehren konnten und dort ein bescheidenes Leben führen können ohne Angst vor Konys Rebellen. Ohne Skrupel wüteten diese bis 2009 auf brutalste Weise im Norden von Uganda. Zigtausende Menschen fielen dem sinnlosen Gemetzel zum Opfer oder wurden verstümmelt. Unzählige Kinder wurden entführt und als Soldaten oder Sexsklaven missbraucht. Heute verstecken sich die Überbleibsel der Rebellen samt ihrem brutalen Anführer vermutlich im Busch der Zentralafrikanischen Republik.

Aber auch noch heute leiden die Menschen unter den Folgen des Bürgerkrieges und bringen aktuell eine mysteriöse Krankheit mit ihm in Verbindung. Ungefähr 5000 Kinder in Norduganda leiden an einer Krankheit, die als Kopfnicksyndrom bezeichnet wird. Die Symptome reichen vom Zittern der Hände und Schwächegefühl über Anfälle mit heftigem und unkontrolliertem Kopfnicken bis hin zu geistiger Unterentwicklung. Betroffen sind Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 Jahren und zwar gerade im Norden. Für viele Menschen in der Region gibt es nur eine Erklärung: „So viele Menschen sind qualvoll ums Leben gekommen. Jetzt sind ihre Geister zurückgekehrt, um uns zu töten. Die Krankheit hat mit dem Bürgerkrieg zu tun. Die Geister der Toten sprechen durch die Kinder, die manchmal schreien: Töte mich nicht!“ Gesundheitsexperten wollen an diese These nicht glauben. Allerdings ist es ihnen auch nicht gelungen, der Krankheit wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. „Es gibt bisher keinen Durchbruch bei der Erforschung der Krankheitsursache, wir kennen ihre Entstehung nicht“, muss der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Uganda, Joaquim Sekewa, zugeben. „Deshalb können wir uns derzeit nur auf die Behandlung der Symptome konzentrieren.“

Trotz all dieser Widrigkeiten können wir sagen, dass auch in 2012 unsere „Hilfe zur Selbsthilfe“ greift und mehr als der bewusste Tropfen auf den heißen Stein ist. Wie schon in den Vorjahren können wir an dieser Stelle nur wiederholen, wie dankbar wir sind, dass sich unsere Projekte stetig und kontinuierlich entwickelt haben, wovon wir uns anlässlich eines Besuches in St. Mauritz-Gulu im November 2012 persönlich überzeugen konnten.

St. Mauritz-Gulu, wo 1993 nur ein brackiges Wasserloch die Menschen notdürftig mit Wasser versorgte, hat sich zu einer selbständigen und selbstbewussten Gemeinde entwickelt, in der heute gut 10.000 Menschen leben. Bereits in den schrecklichen Zeiten des Bürgerkrieges bezeichneten sie „ihr“ St. Mauritz als „Corner of Hope“ und unterstützen im Rahmen ihrer Möglichkeiten tatkräftig den Aufbau der Schule, des Kindergartens, des Gemeindezentrums, der Medizinstation, der Lehrerunterkünfte. St. Mauritz–Gulu ist erwachsen geworden. Dies zeigen heute nicht nur die großen, Schatten spendenden Bäume, die wir immer wieder anlässlich unserer Besuche gepflanzt haben, sondern auch die Menschen. Einer von ihnen ist John Bosco. 1993 war er bei unseren ersten Besuchen in Gulu einer der Messdiener. Er absolvierte die Schule, studierte dann Philosophie und Religionswissenschaften. Es folgte ein Postgraduierten-Studium mit Diplomabschluss in Projektplanung und Management. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst als Sozialarbeiter für die Caritas Gulu mit den vom Krieg traumatisierten Kindern. Eine seiner Hauptaufgaben war die Zusammenführung der verfolgten Kinder mit ihren Eltern, deren Nachsorge und Re-Integration. Heute arbeitet er als stellvertretender Direktor für die Caritas Gulu und lebt mit seiner Familie wieder einen Steinwurf von St. Mauritz-Gulu entfernt, wo er sein Wissen und seine Erfahrung in unser Projekt einbringt. Heute sind es seine Kinder, die unsere Schule besuchen.

Auch wenn St. Mauritz-Gulu heute mehr und mehr auf eigenen Füßen steht, ist unsere „Hilfe zur Selbsthilfe“ nach wie vor notwendig, denn finanzielle Ressourcen sind nicht vorhanden. So haben wir auch in 2012 mit Ihrer Unterstützung die Schule und den Kindergarten mit Sachzuwendungen unterstützt, Gelder für notwendige Reparaturmaßnahmen an den Gebäuden überwiesen, für das Essen der Kindergartenkinder und deren medizinische Versorgung Gelder bereitgestellt und Schulgeldzahlungen, auch für Jugendliche an weiterführenden Schulen, getätigt.

Weiter unterstützen wir den Bakhita Kindergarten in Gulu. Stellten wir in den Vorjahren Gelder für sanitäre Anlagen, Klassenräume und Turngeräte auf dem Spielplatz zur Verfügung, so stand in 2012 der Bau eines Küchenhauses für die rund 600 Kinder auf dem Plan, den wir wieder durch Bruder Michael Dietrich von den Comboni Missionaren ausführen lassen. Bereits unmittelbar nach unserer Rückkehr aus Gulu erreichten uns noch vor Weihnachten die ersten Bilder vom Bau. Ebenso helfen wir weiterhin der Mukiza Foundation in Kampala, die sich um Kinder mit Behinderungen und deren Familien kümmert.

Die Reise nach Uganda war wieder ein Erlebnis: Sie führte uns auch in das Westnile Gebiet nach Arua, wo Rev. Dr. Sabino Odoki jetzt Bischof ist. Dann ging es noch in den äußersten Südwesten zum Lake Bunyoni und Lake Mburo National Park. Traumhafte Landschaften und eine beeindruckende Tierwelt waren der Lohn für die lange Anreise. Aber vor allem die Menschen in Gulu, die Freunde vor Ort, wie Fr. Cyprian,  bleiben in Erinnerung.