2010

„LRA am Ende? Mehr als ein Dutzend Tote bei Massakern an Weihnachten folgt überraschende Ankündigung den Kampf aufzugeben.“

Dies war eine der ersten Nachrichten, die uns Anfang Januar 2010 aus Uganda erreichte. Taktisches Manöver, oder wirkliche Kriegsmüdigkeit? Überraschend an dieser Verlautbarung war die Tatsache, dass erst vor wenigen Wochen an den Weihnachtsfeiertagen 2009 mehrere Dörfer im Kongo, wo die Rebellentruppe marodierend umherzog, brutal überfallen wurden. Die Aufrichtigkeit dieser Ankündigung musste also in Frage gestellt werden, denn der Konflikt dauert nun schon über zwei Jahrzehnte. Der Kampf der Gruppe begann Mitte der 1980er Jahre in Gulu und zog eine blutige Spur durch Uganda und die angrenzenden Nachbarstaaten, wie den südlichen Sudan, die DR Kongo und die Zentralafrikanische Republik. Von 2006 bis 2008 gab es Friedensgespräche in Norduganda zwischen der Regierung und den Rebellen. Ein Abkommen scheiterte aber am Ende. Mehrere militärische Erfolge der ugandischen Armee im Verbund mit UN-Truppen und Soldaten der Nachbarstaaten haben die Rebellen dezimiert. Insgesamt wurden viele tausend Menschen durch die Rebellen in Norduganda bis 2008 ermordet, mindestens zwei Millionen wurden in Norduganda vertrieben und lebten über Jahre in Flüchtlingscamps unter furchtbaren Bedingungen als Vertriebene in ihrem eigenen Land. Ihre Kinder wurden entführt, missbraucht, versklavt und zu Kindersoldaten ausgebildet. Noch heute ist eine ganze Region traumatisiert, auch wenn seit gut zwei Jahren ein brüchiger Waffenstillstand herrscht.

Ob dieser „Frieden“ in 2011 hält ist fraglich. Am 9. Januar 2011 wird sich der Südsudan aller Wahrscheinlichkeit nach für eine Abtrennung vom Norden des Landes entscheiden. Die Frage wird sein, ob die herrschende Elite in Khartoum diesen Schritt anerkennt oder ob es zu einem Krieg kommt. Südsudan ist reich an Erdöl. Eine Abtrennung wäre ein harter Schlag für den Nordsudan, der sich bisher in erster Linie über Ölexporte finanziert. Es besteht also eine nicht geringe Wahrschein-lichkeit, dass es nach dem Referendum zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird. Sollte es zu einem erneuten Krieg zwischen Nordsudan und Südsudan kommen, dann wird dieser schreckliche Konsequenzen für die Menschen auch in Uganda haben und die gesamte Region destabilisieren. Wahrscheinlich wird der Nordsudan die berüchtigte Lords Resistance Army (LRA) wie in der Vergangenheit für seine Zwecke einspannen und gegen den Süden in Stellung bringen. Dies könnte wiederum Uganda in den Krieg involvieren und den seit zwei Jahren andauernden „Frieden“ endgültig zerstören.

Aber auch innenpolitisch ist das Land weit von einem friedvollen Miteinander der Kulturen und Völker entfernt. Norduganda – Acholiland – bleibt das von Süduganda vernachlässigte Armenhaus in einem Land, welches jeder Reiseführer als „Perle Afrikas“ oder die „Schweiz Afrikas“ bezeichnet. Anfang 2011 sind in Uganda Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Rahmen der noch jungen Mehrparteiendemokratie angesetzt. Es stellt sich die Frage, ob auch in Uganda Umstände wie im Nachbarland Kenia zu erwarten sind, die 2007/2008 im Umfeld der Wahlen zu einer politischen Krise und Gewaltausbrüchen führten. Korruption und eine unausgewogene Parteienlandschaft in Uganda sind nach wie vor große Hindernisse auf dem Weg zu einer wahren Mehrparteiendemokratie, wie wir sie verstehen. Insider befürchten Ausschreitungen, wenn nicht sogar einen Bürgerkrieg im vernachlässigten Norden Ugandas.

All dies zeigt, wie instabil das Land ist und wie wichtig unsere Hilfe und Solidarität ist. Wir als Uganda-Hilfe sind kein politischer Verein. Wir wollen humanitäre Hilfe zur Selbsthilfe leisten:

„Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“

Nach diesem Motto versuchen wir mit Ihrer Unterstützung zu helfen. Unser „Dörfliches Entwicklungsprogramm“ in Obiya bei Gulu, welches über Jahre gewachsen ist und mehr und mehr selbstständig wird, mit einer über die Region hinaus anerkannten Medizinstation, einer Schule für über 1000 Kinder, den Lehrerunterkünften, dem Kindergarten, seiner autarken Wasserversorgung für Tausende von Menschen, ist ein Zeichen unserer Hilfe und Solidarität. Aber auch die weiteren Projekte, die wir mit Ihrer Hilfe unterstützen, wie das St. Judes Home of Children, einem Waisenhaus in Gulu oder Bakhita Nursery School, einer Kindertagesstätte ebenfalls in Gulu oder die Mukiza Foundation in Kampala für Kinder mit Behinderungen sind Zeichen gelebter Solidarität. Besonders die Unterstützung der Kinder mit Behinderungen liegt uns sehr am Herzen, stehen sie doch in Uganda ganz unten in der Gesellschaft, zumal deren Eltern oft stark durch Aberglauben beeinflusst sind, sich für ihre behinderten Kinder schämen und diese nicht selten verstecken. Ihre Mütter werden oftmals der Hexerei beschuldigt und in vielen Fällen von ihren Männern verlassen.

All diese Projekte konnten wir auch in 2010 mit Ihrer Hilfe finanziell unterstützen. Persönlich habe ich alle Projekte Mitte des Jahres besucht und stellvertretend für alle Spender, Förderer und Helfer Dank und Anerkennung entgegen genommen. Auch mit unserem Freund Sabino Odoki konnte ich ein persönliches Gespräch in Kampala führen. Als Weihbischof der Gulu Archdiocese, welcher Anfang 2010 zunächst zum Apostolic Administrator of Arua Diocese bestellt und zum Jahreswechsel zum Bishop of Arua vom Hl. Vater ernannt wurde, kann sich Sabino natürlich nicht mehr persönlich um das Tagesgeschäft in Obiya kümmern, was wir alle und er sehr bedauern, wissen wir doch, wie sehr ihm dieses Projekt, welches er mitbegründet hat, ans Herz gewachsen ist. Dank des zwischenzeitlich installierten Management-Teams und dem von Sabino ausgesuchten Fr. Cyprian, welcher die pastoralen Geschicke in Obiya leitet, sind wir jedoch sicher, dass das Projekt sich weiter entwickelt und prosperiert, was natürlich auch weiter von Ihrem und unserem gemeinsamen Engagement abhängig ist.

Vielfältige Aktionen fanden in 2010 statt. Erwähnt seien die Aktionen der Schüler des Augustin-Wibbelt-Gymnasium in Warendorf und der St. Mauritz Grundschule in Münster, beide schon seit vielen Jahren Partner der Uganda-Hilfe St. Mauritz, die sich besonders für unsere Schule und die Kinder in Norduganda einsetzen. Auf dem Pfarrfest, dem Weihnachtmarkt und in einer Mukiza-Engel Aktion in unserer Pfarrgemeinde St. Mauritz erfuhren wir weiter nachhaltige Unterstützung durch unsere Gemeindemitglieder, für die wir aufrichtig danken möchten. Wie schon 2009 endete das Jahr mit der Weihnachtsaktion der Kaufmannschaft der Warendorfer Straße, die den Erlös unseren Medizinprojekten zur Verfügung stellt.

2011 – wir wissen nicht, ob dieses Jahr den Menschen in Norduganda den lang ersehnten Frieden oder neue politische Unruhen bringen wird. Wir wissen aber, dass wir weiterhin „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten wollen.